17 JOURNAL DES LUXUS UND DER MODEN EINLADUNG


JOURNAL DES LUXUS UND DER MODEN
K&K in Kooperation mit Fritz von Klinggräff

ERÖFFNUNG
SAMSTAG, 8. FEBRUAR 2003

17 JOURNAL DES LUXUS UND DER MODEN TEXT

Friedrich Justin Bertuch war in den Augen der Zeitgenossen ein „Wechselkrämer“ (Caroline Herder), eine „Schlange“ (Schiller), ein „Geschmacks-Minos“ (Körner), gar „schlimmer“ noch: ein „Mode-Journalist“ (Johann Gottfried Herder), ein „Jude“ (Caroline Herder).

Friedrich Justin Bertuch (1747 – 1822), der Weimarer Übersetzer, Großverleger, Schatzkämmerer und Dichter, der Fabrikant, Gärtner und Welthandelstreibende war dem deutschen Klassiker zu Weimar jener Balken im Auge, der im Übergang vom Merkantilismus zur globalen Warenzirkulation das Gerüst des Weimarer Sonnenstaates trug.

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  17 Journal des Luxus und der Moden

Friedrich Justin Bertuch war in den Augen der Zeitgenossen ein „Wechselkrämer“ (Caroline Herder), eine „Schlange“ (Schiller), ein „Geschmacks-Minos“ (Körner), gar „schlimmer“ noch: ein „Mode-Journalist“ (Johann Gottfried Herder), ein „Jude“ (Caroline Herder).

Friedrich Justin Bertuch (1747 – 1822), der Weimarer Übersetzer, Großverleger, Schatzkämmerer und Dichter, der Fabrikant, Gärtner und Welthandelstreibende war dem deutschen Klassiker zu Weimar jener Balken im Auge, der im Übergang vom Merkantilismus zur globalen Warenzirkulation das Gerüst des Weimarer Sonnenstaates trug. Sein Kollege am Hofe und Neider im bürgerlichen Leben, Johann Wolfgang von Goethe, nannte ihn den „größten Virtuosen im Aneignen fremder Federn“. Diese wippten denn auch wie zum Spotte des bigotten Dichterfürsten auf Hüten und Hauben jener Damen, die in Deutschlands erster bedeutender Modezeitschrift – in Bertuchs „Journal des Luxus und der Moden“ – die Welt ins kleine Duodezfürstentum holten.Doch entgegen Goethes leicht verbrauchter Metapher stand nicht die „Feder“, sondern die Kunstblume am Anfang des Bertuchschen Schaffens. Im Jahre 1782 nämlich wurde „die Entreprise meiner Frau“ aus der Taufe gehoben: die „Blumenfabrick“ des Ehepaars Carolina und Friedrich Justin Bertuch, ein Betrieb für Deko-Ware im weltweiten Vertrieb. Der Putzmacherinnen-Betrieb war „die Keimzelle aller weiteren Geschäfte Bertuchs“ und führte 1791 zur Gründung des Landes-Industrie-Comptoirs, „dem in Weimar einzig nennenswerten Wirtschafts-Unternehmen“ (Sigrid Damm). Schon als herzoglicher Schatzkämmerer hatte Bertuch mit Westen und Strümpfen deutsche Genies bekleidet, die in Werthers blauem Frack und gelber Nankinghose das Reich Goethes bereisten. Später vertrieb Bertuch seine Kunstblumen bis in die Neue Welt. Im Gründungsjahr der Weimarer Blumenfabrik wurde Nord-amerika unabhängig: Ein Zufall?! Die „verbertuchte“ Kultur (von der Goethe – nach Siegfried Seifert – gleichermaßen mit melancholischem Respekt wie mit Abscheu zu sprechen wusste) war die Kultur der Neuzeit: pragmatisch und global – eine Kultur für den Menschen, dem der herdersch-erdige Heimatsinn abhanden gekommen ist. Als Poet hingegen verehrte Bertuch den Staat der Dichter und Denker. In seinen Erbauungsschriften unterwarf er die Mode dem klassischen Naturdiktat: „Blumen trägt man alle fein und nach Natur gearbeitet“. Doch die Annäherungsversuche blieben vergeblich. Weimars Kirchfürst Johann Gottlieb Herder hatte für sein „Journal“ nur Verachtung übrig: „Verderbliche Modejournale, die durch stets veränderten Aufwand den häuslichen Wohlstand untergraben und aller bessren Zweckhaftigkeit schaden; sie zertrümmere der echte griechische Geschmack“, donnerte er. Und auf seiner Romfahrt klagt er, dass alle echte Kunstanschauung zwar dereinst „eine schöne Blüthe“ gewesen sei: „Jetzt aber ist’s eine Blumenfabrick wie die unsrer Freunde Krause und Bertuch.“

In Weimar wurde der Purismus aus ihrer vermeintlichen „Blüthe“ gewonnen: Sein Resultat war die autonome Kunst. Aber ein dumpfes Ressentiment durchzog diese deutsche Klassik, deren Projektionsfläche “der geschmeidige Bertuch“ war: „Die Bertuchs müssen in der Welt doch überall Glück haben!“, klagte, voll Dünkel, Schiller und wusste die Distinktion streng rassistisch und feudalistisch zu wahren: „Es gieng mir mit ihm wie Hamlet mit Güldenstern“. Doch auch bei Schiller war das Ressentiment wie selbstverständlich mit Opportunismus gepaart: „Bertuch ist vor einigen Stunden aus Leipzig angekommen. Ob er mir wohl gar Geld bringt? – Dann will ich seinen Pfad mit Rosen bestreuen.“ Doch während Friedrich Schiller – der floralen Rhetorik verhaftet – solcherart im Blumenmeer (oder seiner sentimentalischen Variante, der Literatur) noch ein konkretes Äquivalent fürs Realabstrakte – „Geld“ – imaginierte, hätte der Blumenfabrikant diese Idee wohl eher für albern befunden. Friedrich Justin Bertuch war das rote Tuch der Weimarer Klassik, ihr Medium: ein fliegender Teppich für die autonomen Existenzen. Darauf saßen sie, um ihn geflissentlich zu übersehen. Und wenn Bertuch unter dieser Ignoranz auch sein Leben lang litt, so hatte seine Kunstblumen-Produktion die Klassik doch längst hinter sich gelassen: „Diese Art von Arbeiten, die man fleurs de fantaisie nennt, sind keine Nachahmung der Natur und haben keyn anderes Gesetz als geschmackvolle Komposition der Formen und Mode-Farben. Man muß es ihnen ansehen, dass sie Geschöpfe spielender Phantasie sind, die sie vielleicht in einem Morgentraum hinhauchte, um nur eine Ephemeren-Existenz zu haben“(Journal des Luxus und der Moden).

Bertuchs Blumenfabrick war die beauté de l’air, war Beaudelaire im Gartenreich Herders: die Moderne inmitten der Klassik. „Emphatische Moderne gedieh nicht in seligen Gefilden jenseits der Ware“, tröstete Adorno, „sondern schärfte sich durch deren Erfahrung hindurch, während Klassizität ihrerseits zur Ware, zum repräsentativen Schinkenbild wurde“. Bertuchs Blumenfabrik, das war Kants Naturschönes in Samt und Seide – frei von Zweck und Vorstellung: „So bedeuten das Laubwerk zu Einfassungen oder auf Papiertapeten für sich nichts. Sie stellen nichts vor.“ Bertuchs Blumenfabrik ist heute die „riesige Plüschblume“(Benjamin) der Erinnerung, aus deren Mitte die Klassik einschließlich ihrer Bauhaus-Variante aufsteigt.

Fritz von Klinggräff