TARNKLEID
K&K
ERÖFFNUNG
SONNTAG, 25. AUGUST 2002
Ein Tarnkleid für den Kiosk! Ein Tarnkleid, das Tarnung symbolisiert, aber nicht tarnt; ein Kleid für den Kiosk, das Aufmerksamkeit signalisiert. Seit ein paar Jahren sind Camouflagemuster en vogue, sie tauchen überall auf – vom Handy-Outfit bis zum Geschirr-Dekor. Warum sind die Farben und Muster des Krieges so beliebt?
Militärische Einsätze erfordern Mimikry. Es geht um die Angleichung an die friedfertige Natur, um Angleichung ans Harmlose, um den Gegner, den Feind, die Gefahr über die eigene Präsenz im Unklaren zu lassen.
Ein Tarnkleid für den Kiosk! Ein Tarnkleid, das Tarnung symbolisiert, aber nicht tarnt; ein Kleid für den Kiosk, das Aufmerksamkeit signalisiert. Seit ein paar Jahren sind Camouflagemuster en vogue, sie tauchen überall auf – vom Handy-Outfit bis zum Geschirr-Dekor. Warum sind die Farben und Muster des Krieges so beliebt?
Militärische Einsätze erfordern Mimikry. Es geht um die Angleichung an die friedfertige Natur, um Angleichung ans Harmlose, um den Gegner, den Feind, die Gefahr über die eigene Präsenz im Unklaren zu lassen. Aber Soldaten verheißen kriegerische Bedrohung und zivile Rettung zugleich. In den Tagen und Wochen der Hochwasserkatastrophe waren sie unübersehbar: die Grünbraunschattierten an den Elbufern. Als sie Abschied nahmen, schrieben sie ein sentimentales „wir haben gerne geholfen“ aus Sandsäcken auf den Deich. Die Camouflage wurde zum Bild des Retters: Tarnung in Potenz. Auch aus dem überfluteten China kamen die Bilder dieser Retter, Sandsäcke füllend, wenn auch in anderen Farben, Tarnmustern, die dem chinesischen Naturbild entsprechen. Andere Bilder erreichten uns aus den USA und aus Großbritannien, wo in jenen Tagen massiv für den Irak-Krieg aufgerüstet wurde. Auch dort gab es Tarnkleidung, braunbeige, den Naturfarben des verhassten Feindes angemessen. Von „Mimesis an das Tote“, schrieb einst Adorno. Noch aber hat sich hierzulande vor allem die Frauenmode der Camouflage verschrieben. Im sonnigen Weimar begegnen wir den scheckigen Mimikry-Textilien als Natur-Signale für den städtischen Raum. Auch hier erinnern die unterschiedlichen Muster an ihre militärische Herkunft, aber sie funktionieren hier im urbanen Raum gegenläufig: Als „Naturphänomene“ im Stadtraum erzeugen sie Aufmerksamkeit. Camouflage im Stadtraum provoziert. Aufmerksamkeit, Vorsicht, zumindest aber Fragen: Zitiert Mode einmal mehr den Fundus der Uniform? Welche Botschaft transportiert dieses auffällige Muster? Ist das Tragen von Camouflage ein Zeichen von Militanz?
Auch die Farbe der Tarnung, Tarnkleidung, also ist kontextanfällig und tritt mit seinem Erscheinungsort, den handelnden Personen sowie mit dem Anlass und der Zusammenstellung des ganzen Outfits in einen ständigen Dialog. Wenn John Galliano in seiner Haute Couture Kollektion für Dior ein Kleid präsentiert, dessen Schleppe mit Tüllrüschen besetzt ist, die ein Camouflagemuster bilden, dann kippt das Zitat der Tarnung einmal mehr in Ironie um und bildet Brüche. Dies entzieht sich einfachen Entschlüsselungs-Praktiken. So bleibt die Camouflage selbst im Kontext des Mode-Diskurses noch Tarnung gegen die einfache Erkenntnis.
Im Raum des Urbanen hingegen bezeichnet die Camouflage wohl zweierlei und immer beides zugleich. Den Krieg im Dschungel der Städte und des Alltags zum einen, in dem die Mimikry an die Natur einer Angleichung an den Krieg Platz macht: Die Tarnfarbe wird zur Rüstung. Andererseits wird Camouflage hier zum Zitat, zum Spiel, zum Dialog-Angebot. So auch unser Kiosk-Tarnkleid: Wir tarnen uns vor weiteren Brandanschlägen, rüsten symbolisch auf. Gleichzeitig aber setzen uns wir uns offen der Gefahr aus, halten die andere Wange hin, weil Auseinandersetzungen wie diese Teil des Projektes K&K sind.