KIOSK 1:1
Naomi Tereza Salmon
ERÖFFNUNG
FREITAG, 27. SEPTEMBER 2002
Die Fotografie ist das Medium der Vergangenheit. Was auf Abzügen sichtbar wird, ist unwiderruflich vorbei, anders könnte es nicht als fotografisches Bild verfügbar sein. Es ist aber nicht nur vorbei, es ist auch wirklich da gewesen. Eine Fotografie repräsentiert nicht einfach eine Situation, sie ist Zeugin oder auch Spur eines konkreten Augenblicks. Ein solch mechanisch hergestellter Blick kann uns kurzzeitig in den Moment der Vergangenheit zurückführen, er kann bei intensiver Betrachtung gar die gegenwärtige Wahrnehmungswelt verdrängen und sie mit einer durch die Fotografie herbeigeführten Sichtweise überlagern.
Kiosk 1:1 – Blicke vom Kiosk
Die Fotografie ist das Medium der Vergangenheit. Was auf Abzügen sichtbar wird, ist unwiderruflich vorbei, anders könnte es nicht als fotografisches Bild verfügbar sein. Es ist aber nicht nur vorbei, es ist auch wirklich da gewesen. Eine Fotografie repräsentiert nicht einfach eine Situation, sie ist Zeugin oder auch Spur eines konkreten Augenblicks. Ein solch mechanisch hergestellter Blick kann uns kurzzeitig in den Moment der Vergangenheit zurückführen, er kann bei intensiver Betrachtung gar die gegenwärtige Wahrnehmungswelt verdrängen und sie mit einer durch die Fotografie herbeigeführten Sichtweise überlagern. Die Funktionen der Zeugenschaft und Spur gewinnt die Fotografie durch ihren Abbildrealismus.
Naomi Tereza Salmon macht sich diese medialen Eigenschaften in ihrer Arbeit „Kiosk 1:1“ zu Nutze, die vor allem die unauflösliche Überlagerung von Gegenwart und Vergangenheit zum Thema hat. Beide Ebenen konfrontieren sich gegenseitig und greifen ineinander. Zunächst hängt es von der Betrachterperspektive und der Dauer des Blickes ab, ob hier wirklich das Bild oder nicht doch die in ihren Kiosk zurückgekehrte Besitzerin, Frau Hackerschmied in ihrer Arbeitskleidung, wahrgenommen wird. Eine wesentliche Perspektive auf den Kiosk ist ja die der Autofahrer, also eine bestenfalls flüchtige Aufmerksamkeit, die nicht genug Zeit lässt, den Bildcharakter des Sichtbaren korrekt zu erkennen. Die Wahrnehmung schwankt zwischen der Gegenwart des Dargestellten und der auf einen vergangenen Moment zielenden Darstellungsqualität der Fotografie. Genau betrachtet, verweisen die Besitzerin und ihr Kiosk aber auch auf ihre gemeinsame Vergangenheit.
Der Kiosk ist nämlich ohne seine Ware (hinter der die Besitzerin weitgehend verschwinden würde) nicht mehr er selbst, ist entseelt, als architektonisches Skelett und Relikt steht er da, ohne Bezug zur ihn umgebenden Welt. Im Rahmen der künstlerischen Auseinandersetzung von Salmon wird er nun zum Fenster in eine andere Wirklichkeit, in die Vergangenheit. Doch aus dem Fenster blickt die Vergangenheit auch zurück in die gegenwärtige Wirklichkeit und während Passanten und Autos sich beeilen, den eher ungastlichen Ort der Kreuzung zu verlassen, schaut die Besitzerin des Kiosks aus ihrem Foto gelassen und stoisch den Bewegungen um sie her zu. So betrachten sie sich gegenseitig. Nur die Gegenwart hat es eilig, denn sie hat eine Zukunft zu bewältigen, während die Vergangenheit ihrer eigenen Zukunft in Ruhe zusehen kann. Sie weiß ja, was gekommen sein wird. Der Kiosk ist aber nicht nur der Rahmen, der nun in „Kiosk 1:1“ einen Blick strukturiert, er ist als Gehäuse auch selbst Teil einer (gesamtdeutschen) Vergangenheit. Er ist nur noch leeres Gehäuse und Brettergerippe, eine moderne Ruine, deren einstige tägliche Füllung gedruckten Papiers in die multifunktionalen Kaufhäuser verschwunden ist. Wie jede Ruine ist er Reflexion seiner selbst, seiner einstigen Funktion. Die Rückkehr von Frau Hackerschmied in der fotografischen Arbeit von Naomi Tereza Salmon gibt dieser Reflexion eine merkwürdige Wendung, einen neuen Kontext, der Vergangenheit und Gegenwart zugleich enthält.
Oliver Fahle